Von Basel nach Shkodra
Unsere Jobs, die Wohnung und der einlullende Alltag verschwinden hinter der sich schliessenden Tür des Intercitys. Wir, Dominique und Niko, schauen uns ungläubig an. Wir haben es getan. Ein letztes Winken, als wir an Sissach vorbeifahren, und 9 Stunden später spuckt uns der Zug am Wiener Hauptbahnhof aus. Der Rucksack wird aufgeschnallt, kurzer Orientierungsblick und Momente später liegen wir auf der Schlafcouch einer Bekannten. Am Tag darauf, schaue ich verschlafen aus dem Fenster, um mir zu versichern, dass wir wirklich nicht mehr zuhause sind.
Die nächsten 3 Wochen reisen wir mit den öffentlichen Verkehrsmitteln durch Ungarn, Slowenien, Kroatien und Montenegro bis nach Albanien. Unser Ziel: So weit wie möglich nach Osten zu reisen und dabei so wenig wie nötig zu fliegen. Die Hoffnung: Dass neue Eindrücke unseren Hunger nach mehr und die aufklaffende Lücke im Lebenslauf, gleichermassen grösser werden lassen.
Soweit die Theorie und nun zur Praxis.
Nach dem ganzen Recherchieren des nächsten Reiseziels, der Unterkunft und der Verpflegungsstätte, bleibt meist wenig Zeit, um sich Gedanken darüber zu machen, wie wir am besten in den Ort eintauchen, um einen authentischen Eindruck zu bekommen. Wir kratzen an der Oberfläche von Reisebroschüren, bleiben nur kurz, durchkämmen Orte und versuchen in einem Spiessroutenlauf, den Touristenfallen auszuweichen, um kurze Zeit später doch wieder in eine zu tappen. Was solls, einfach lächeln und geniessen. Wir fahren in Zügen mit herunterklappbaren Fenstern (Halleluja, es gibt sie noch!), die an jedem gottvergessenen Bahnhof halten und nahezu immer Verspätung haben. An der Adriaküste müssen wir von der Schiene auf die Strasse wechseln und feststellen, dass Busfahren nur halb so komfortabel ist, aber für eine Weile die einzige Option bleibt. Den Fahrtwind und das Rattern werden wir schmerzlich vermissen.
Im «Museum of broken relationships» in Zagreb, lachen und weinen wir ab den skurrilen und herzzerreissenden Trennungsgeschichten, die unbekannte Menschen anhand eines Gegenstandes erzählen, welcher mit ihren Ex-Partnern in Verbindung stand. Die Bandbreite reicht vom nicht gebrauchten Hochzeitskleid bis zum Hautfetzen, den eine Frau 27 Jahre lang gehütet hat, bis sie endlich bereit war, ihn dem Museum als Ausstellungsstück zu überlassen. Vielleicht verbirgt sich auch auf ihrem Estrich oder Keller eine verstaubte Erinnerungskiste einer verflossenen Liebe.
An der montenegrinisch – albanische Grenze müssen wir in einem langwierigen Prozedere zweimal aus dem Bus aussteigen, uns aufreihen, über den Zoll laufen und wieder einsteigen. Ich sehne mir tagträumend den Schengenraum herbei und werde plötzlich vom Ausstoss «Ah Svizzera!» des albanischen Zöllners aufgeweckt, der unseren Pass nicht mal aufklappt und uns lächelnd durchwinkt.