Akrobatische Meisterleistung


Um unseren Bus bildet sich eine Traube. Schilder mit diversen Hotelnamen werden an unsere Scheibe gedrückt. Wir erkennen unseres und folgen «small but spicy» zu seinem Tuk Tuk. Er ist zwar nicht unser Abholservice, fährt uns aber trotzdem gratis zum Hotel, in der Hoffnung, uns eine Tour anbieten zu können. Unser Hotel in Battambang wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen, wie auch der Rest des alten französischen Kolonialviertels. Die Hitze ist drückend und die Strassen sind staubig. Der Touristenstrom aus Angkor Wat reicht meist nicht bis hierher und ist nach dessen Abreissen durch die Pandemie nur noch ein Rinnsal. Hinter der tristen Fassade der Szenerie verbergen sich jedoch Geschichten, die unsere Herzen tief berührten.

Der Krieg in Vietnam, der sich auch auf Kambodscha ausweitete, trieb die Bevölkerung in die Arme der roten Khmer, die unter der Führung Pol Pots und seiner Schergen die Kambodschaner zurück in die Steinzeit knüppelten. Circa zwei Millionen Menschen (ein Viertel der Bevölkerung) verloren unterdiesem selbstzerstörerischen Terrorregime ihr Leben. Mit der Zeit bestanden die Folter-und Exekutionskommandos durch den schieren Menschenverschleiss mehrheitlich aus Jugendlichen. Das Regime wurde nach circa vier Jahren durch den Einmarsch der Vietnamesen abgesetzt. Viele Regimeanhänger liefen über, gewisse Führungsfiguren wurden verurteilt, aber eine kollektive Aufarbeitung fand nie statt. Wie kann eine Gesellschaft solch ein Trauma überwinden?

Ein tosender Applaus hallt durch das Zirkuszelt des «Phare Selpak Ponleu». Die Jugendlichen verbeugen sich nach ihrer selbstkonzipierten Aufführung vor ihren Familien, Freunden und den internationalen Gästen. Die Artisten sind Schülerinnen und Schüler der Kunstschule, die von ehemaligen Flüchtlingskindern mit Hilfe ihrer französischen Kunstlehrerin, die sie im Camp unterrichtet hatte, aufgebaut wurde. Aus einer Maltherapie wurde eine Kunstschule. Mehr als 1000 Kinder und Jugendliche erhalten hier gratis eine künstlerische Ausbildung, die ihnen das Rüstzeug für ein erfolgreiches Leben an die Hand geben soll. Streift man durch Battambang, findet man hübsche Cafés, Läden und sogar das erste Museum für zeitgenössische Kunst in Kambodscha. Oft stehen dahinter ehemalige Absolventinnen und Absolventen dieser Schule.

Die dunkle Vergangenheit der Elterngeneration schlägt sich bis heute in den sozialen Problemen der Jugend nieder. Doch stabile Institutionen mit den richtigen Werten können selbstbewusste Menschen hervorbringen, die ihre Umwelt Stück für Stück umkrempeln. Nicht alle Jugendlichen haben das Zeug zur Künstlerin oder zum Künstler, so wie «small but spicy». Trotzdem habe er an den Schulbesuch im «Phare» nur gute Erinnerungen. Wir stossen auf seinen Nachwuchs an und hoffen, dass er bald wieder als Tourguide arbeiten kann.


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Sich aus der Armut schlagen